Heinz-Florian und der Kaiser von Japan
Nach meinem Sieg in Montreal verging einige Zeit, bis ich alles verkraftet hatte und mich dazu entschied, ein weiteres Mal für Olympia zu trainieren. Diesmal würde ich der Favorit sein. Eine schwere Bürde! Bisher war es nur dem Großen Bikila gelungen, zwei olympische Marathonrennen zu gewinnen. Meine Vorbereitung wollte ich noch besser machen. Ich nutzte die Olympiaerfahrung und das Wissen aus meinem Sportlehrerstudium für meinen "Plan": An einer entscheidenden Wegmarke wollte ich mit einer Überraschung aufwarten; etwas versuchen, was noch keiner vor mir getan hatte.
Die Zwischensprints von 1976 hatten mich darauf gebracht: Vier Jahre trainierte ich, die Kilometer 35 bis 40 in fünfzehn Minuten zu laufen. Also nach 35 km Tempo machen, wie in einem Mittelstreckenrennen! Es sollte mein persönlicher Endspurt sein, keine Zermürbungstaktik. Das war mein Coup. Ich schaffte dieses Teilstück in Moskau dann sogar in 14:45. - Und das ließ mich als Ersten über die Ziellinie laufen. Und da rief er es: "Liebe junge Väter oder angehende, haben Sie Mut! Nennen Sie Ihre Neuankömmlinge des heutigen Tages ruhig Waldemar. Waldemar ist da!"
Viele Menschen müssen diesen Jubelruf gehört haben. Er ist eins geworden mit meinem Namen, mit Moskau 1980 und mit dem legendären Heinz-Florian Oertel.
Ein Namensgebungs-Boom ist natürlich nicht ausgebrochen. Aber soviel ich weiß, sind damals wirklich zwei Familien dem "Aufruf" gefolgt. Legenden gehorchen jedoch ihrer eigenen Logik. Das erfuhr ich, als ich anlässlich eines Marathons 1994 in Osaka zu einem hohen Empfang geladen war. Ich wurde zum jungen Kaiser gebeten. Und der stellte mich seiner Frau vor: "Das ist der Mann, nach dem in Deutschland die Söhne benannt werden."